Ein bloßes Kind


„Ihr werdet finden ein Kind …“ – Lk 2,12

Nicht „das“ Kind, heißt es im griechischen Urtext, sondern (ein) Kind, ohne Artikel.

Das scheint mir bedeutsam zu sein. Voraus geht die Engelsbotschaft „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids“ (2,11). „Geboren“ konnte in Israel in diesem Zusammenhang durchaus so verstanden werden: nicht im wörtlichen, sondern im übertragenen Sinn, nämlich so, dass damit das Erscheinen des Messias in seinem Herr-sein und in seiner Machtfülle bezeichnet wurde. Vgl. Auslegung von Prof. Otto Kaiser zu Jesaja 9,5 (‚Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter …’): „geboren … das ist, wie aus Ps 2,7 deutlich hervorgeht, nur eine Umschreibung für die Adoption des Königs durch Gott im Augenblick der Thronbesteigung“.

Umso verblüffender wäre dann die Auskunft des Engels: „Ihr werdet finden (nicht einen strahlenden Herrscher, der seinen Thron besteigt, sondern tatsächlich nur) ein Kind, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“ Nicht erst die Windeln und die Krippe wären also das Überraschende, sondern schon allein dies, dass der Messias als ein Kind, in Gestalt eines hilflosen, ohnmächtigen Säuglings in der Welt erscheint. Übrigens: Die Angabe „in Windeln gewickelt“ macht nur Sinn, wenn man beim Hören der Engelsbotschaft eben nicht an ein Kind im wörtlichen Sinn dachte. Schließlich wird jedes Kind, ob arm oder hochwohlgeboren, in Windeln gewickelt. „In Windeln gewickelt“ besagt hier, dass es sich tatsächlich um ein wirkliches (Menschen-)Kindchen handelt.

(Predigt) „…Ein Bündel mit einem Neugeborenen in einer Futterkrippe – niedriger, armseliger, ohnmächtiger, glanzloser, irdischer geht’s nicht. Und das sind nun die Erkennungsmerkmale für den Herrn aller Herren! …

… was der frühere Bundesminister Hans Apel zu diesem Weihnachtsfest schrieb. Er steht vor dem Krippenbild in seiner Hamburger Kirche. Er erinnert sich, welche Machtbefugnisse ihm als Minister übertragen waren. Und dann heißt es: ‚Aber wie lässt sich diese Macht mit dem seltsamen Macht-Akt vergleichen, den die Stallszene vor dem Kirchenaltar darstellt? Derjenige, von dem das Glaubensbekenntnis sagt, dass durch ihn alles geschaffen ist, liegt als ein hilfloses Baby da. Und hilflos wird er 33 Jahre später am Kreuz hängen. Ich weiß, wie es ist, wenn selbst ein Mächtiger dieser Erde bespuckt und verhöhnt werden kann, sogar von Christen auf dem Kirchentag. Aber ein Gott, der ein ärmliches Baby wird und sich dann qualvoll umbringen lässt -, ist ein Mächtiger, dessen Tun sich meiner Vernunft entzieht. … Hier ist eine alternative Form der Intelligenz nötig, der Glaube nämlich. …“

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