Christen und Militär, Todesstrafe


Wehrdienst- bzw. Kriegsdienstverweigerung „aus Gewissensgründen“ war während meiner Dienstzeit permanent ein aktuelles theologisches Thema. Für die große Mehrzahl meiner Pfarrerskollegen und –kolleginnen war es selbstverständlich, sich für die Verweigerer einzusetzen und den jungen Männern den Zivildienst nahezulegen. Jeder Kirchenbezirk berief einen Beistandspfarrer für Kriegsdienstverweigerer.

Ich meinerseits sah und sehe gerade auch für Christen die Verpflichtung gegeben, sich ggf. für die Verantwortungsbereiche des Staates in die Pflicht nehmen zu lassen. Und zu diesen Verantwortungsbereichen gehört nun einmal auch der militärische Schutz des Landes, der in Deutschland bislang mittels der allgemeinen Wehrpflicht gewährleistet wird. Folgerichtig habe ich mich seinerzeit im Dekanat Cannstatt als Beistandspfarrer für Wehrwillige angeboten.

Eindeutig verfehlt ist es, wenn zur Begründung der Kriegsdienstverweigerung das 5. Gebot („Du sollst nicht töten“, 2 Mose 20,13) herangezogen wird. Aus dem biblischen Textzusammenhang geht zweifelsfrei hervor, dass mit diesem Gebot Mord untersagt wird, nicht jedoch z.B. die Ausübung der Todesstrafe (z.B. 2 Mose 21,12) oder das Töten der Feinde im Krieg (z.B. 2 Mose 17,13). Die Beschimpfung von Soldaten als „Mördern“ zeugt von einer schweren Geistesverwirrung. Bedauerlicherweise darf sie lt. Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht unter Strafe gestellt werden.

Während meiner Dienstzeit in Stuttgart-Weilimdorf hatte ich einer Diakonie-Station vorzustehen und immer wieder Zivildienstleistende einzustellen. Jedem von ihnen habe ich die persönliche Entscheidung zur Verweigerung des Kriegsdienstes aus Gewissensgründen zugestanden, nicht jedoch die prinzipielle Verneinung des Militärs oder die generelle Bestreitung, dass man als Christ auch Soldat sein könne. Erfreulicherweise haben sie im Einstellungsgespräch ausnahmslos ihre persönliche Gewissensentscheidung geltend gemacht, die Notwendigkeit des Militärs nicht bestritten und auch keinem Soldaten das Christsein abgesprochen.

In der „Standespredigt“ Johannes des Täufers (Lk 3,10ff) erscheinen auch die Soldaten. „Was sollen wir denn tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold.“ (3,14). Bemerkenswert: Keineswegs wird den Soldaten nahegelegt, ihren Dienst zu quittieren, als ob dieser unvereinbar wäre mit einem gottgefälligen Leben. Sie werden von Johannes vielmehr darin bestärkt, Soldaten zu bleiben, d.h. eo ipso auch für den Kriegsdienst bereit zu stehen. Die Mahnung „tut niemandem Gewalt oder Unrecht“ negiert offensichtlich nicht den Kriegseinsatz. Gemeint ist damit vielmehr, dass die Soldaten sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Gewaltmitteln nicht zu privat motivierten Übergriffen hinreißen lassen.

Jesus heilt den Knecht des Hauptmanns von Kapernaum (Matth 8,5ff). Auch hier findet sich bemerkenswerterweise keinerlei Hinweis darauf, dass Jesus gegen die Tätigkeit dieses römischen Militärs irgend etwas einzuwenden hätte. Der Mann beweist beispielhaften Glauben und kann offensichtlich mit Fug und Recht Hauptmann bleiben. Sein militärischer Beruf ist für Jesus kein Thema.

Petrus kommt ins Haus des römischen Hauptmanns Kornelius in Caesarea (Apg 10,1ff). Kornelius und seine Hausgenossen öffnen sich dem Evangelium, empfangen den Heiligen Geist und werden getauft. Ohne Frage kann und soll Kornelius auch als geistgesalbter Christ Hauptmann im römischen Heer bleiben! Etwas anderes geht aus dem Text nicht hervor.

Fazit: Auch vom Neuen Testament her lässt sich eine grundsätzliche Unvereinbarkeit von Christsein und Militärdienst nicht herleiten.

Auch ein grundsätzliches Nein zur Todesstrafe lässt sich aus der Bibel nicht herleiten, schon gar nicht aus den Zusammenhängen, in denen das 5. Gebot („Du sollst nicht töten“) steht (s.o.). Behauptungen wie die einer Pfarrerin in einer Rundfunk-Morgenandacht (26.02.2010, SWR 2): „Jedes Todesurteil ist eine Gotteslästerung“ sind also völlig aus der Luft gegriffen. Die Umkehrung dieser Aussage wäre eher richtig: Jede Gotteslästerung würde eigentlich den Tod verdienen, wie es der jüdische Hohe Rat gegenüber Jesus – in diesem Fall allerdings irrtümlicherweise – feststellt.

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