Frommer Agnostizismus


Was können wir eigentlich von Gott wissen? Welche Aussagen können wir überhaupt von Gott machen? Wir sind doch nur Menschen und Gott ist Gott. Gott ist doch jedem geschöpflichen Zugriff, jeder geschöpflichen Bemächtigung himmelweit entzogen. Jedes angebliche Wissen und jede Aussage über Gott ist doch nur menschlich und damit unzulänglich und grundsätzlich fragwürdig. Im Grund bzw. im Zweifelsfall können wir nur sagen: Ich weiß nicht …

Dieser in gewisser Weise „fromme“ Agnostizismus ist mir immer wieder, z.B. bei Kirchengemeinderäten, begegnet, und zwar in Verbindung mit der Scheu vor lehrmäßigen Festlegungen. (Anmerkung: Christliche Dogmatik ist heute vielfach nicht mehr gefragt. Das angeblich undogmatische Judentum steht hoch im Kurs. Paulus steht im Verdacht, die ursprüngliche, angeblich einfache und undogmatische Jesusbotschaft dogmatisch verfälscht zu haben.)

Bei dem, was wir als Christen von Gott wissen und aussagen, sind wir tatsächlich auf das Zeugnis von Menschen angewiesen. Das trifft für die ganze Bibel zu. Nach der Selbstaussage der biblischen Texte handelt es sich dabei allerdings durchgehend um Gottes Wort, also „Gottes Wort in Menschenmund“. Es wird bezeugt, dass Gott sich offenbart habe, dass er beauftragt und gesandt habe, dass er geredet und gehandelt habe, zuletzt in und durch Jesus: „Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn“ (Hebr 1,1f).

Von der Selbstaussage der biblischen Texte her kann es keinen Agnostizismus im obigen Sinn geben. Wir können vielmehr sehr genau sagen, wer Gott ist und wie er handelt, insbesondere seit dem Kommen des „Sohnes“ können wir das. Die Bibel trägt dabei durchaus der Tatsache Rechnung, dass Gott uns eigentlich entzogen ist; und doch hat er sich uns bekannt gemacht: „Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt“ (Joh 1,18). Vor allem und abschließend in Jesus Christus und seiner Sendung hat Gott sich also offenbart, hat zu erkennen gegeben, wer er ist und wie er handelt. Jesus sagt: „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Joh 14,9).

Dass die Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus sich nicht jedem Menschen erschließt, spricht Jesus selber deutlich aus: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart …“ (Matth 11,25).

Auf die hier angesprochene Thematik bin ich durch die Lektüre einer Verlautbarung von Josef Ratzinger, damals noch Vorsitzender der päpstlichen Glaubenskongregation, aufmerksam geworden.
(Predigt zu 1 Kor 2,1ff) „… Jesus Christus, Herr der Herrlichkeit – wir haben es mit einem unfassbaren Geheimnis zu tun. Mit einer tief verborgenen Weisheit. Aber uns, so schließt Paulus, hat Gott es offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit (Vers 10).

Es ist auch unter Christen modern geworden, einen sog. agnostischen Standpunkt einzunehmen nach dem Motto: Nichts Genaues weiß man nicht. Was können wir schon von Gott wissen? Wer kann mit Sicherheit sagen, wie wir mit Gott dran sind? Es war der jetzige Papst, der vor Jahren als Leiter der vatikanischen Glaubenskongregation in dem Lehrschreiben ‚Dominus Jesus’ diesen Trend scharfsichtig aufgegriffen hat, ihm mit Entschiedenheit entgegengetreten ist und darauf verwiesen hat, dass Gott es uns lt. Hl. Schrift doch offenbart hat, sodass wir es ganz genau wissen können. Damals habe ich großen Respekt vor diesem Mann bekommen.

Ja, liebe Gemeinde, so gewiss der Hl. Geist in der Kirche Jesu Christi am Werk ist, so gewiss lässt er uns nicht im Unklaren darüber, wer Gott ist und wie wir mit ihm dran sind. Indem er uns zu Jesus Christus finden lässt, macht er uns mit Gott, mit seinem innersten Wesen und mit den tiefsten Tiefen seiner Gottheit vertraut. Und niemand muss befürchten, dass es da in Gott noch unerforschtes Terrain geben könnte und Gott damit letztlich doch unberechenbar bleiben würde. Nein, Gott ist in der Sendung des Herrn der Herrlichkeit vollends ganz unser Gott geworden, und es gibt nichts Besseres für uns als ihn über alle Dinge zu fürchten, zu lieben und ihm zu vertrauen. …“

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