Option für die Armen?


„Selig seid ihr Armen …“ – Lk 6,20

Die „Option für die Armen“ wird gerne als grundlegende Maxime für kirchliches Handeln ausgegeben, ja, sie gilt immer wieder geradezu als Quintessenz des Evangeliums selbst.

Hier ist m.E. Vorsicht geboten. An der o.a. Stelle im Lukasevangelium lautet Vers 20 im ganzen so: „Und er (sc. Jesus) hob seine Augen auf über seine Jünger und sprach: Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer.“ Es kann also keine Rede davon sein, dass Jesus generell die Armen glücklich gepriesen hätte. Vielmehr hatte er dabei seine Jünger im Auge, also Menschen, die ihm nachfolgten und die – so ist zu folgern – im Zuge eines Lebens in der Nachfolge Jesu Armut erfuhren, Armut auf sich nahmen. Vgl. 6,22!

Des weiteren ist zu beachten, dass auch in der Matth-Version der Seligpreisungen Jesu nicht einfach von Armen die Rede ist, sondern eben von „geistlich“ Armen (Matth 5,3).

Wer unter den „geringsten Brüdern“ Jesu nach Matth 25,31-46 zu verstehen ist: s. dazu meine Gedanken oben. M.E. sind auch da keineswegs generell arme und notleidende Menschen gemeint.

Natürlich ist die Zuwendung zu den Armen dieser Welt ein grundlegendes Gebot christlicher Nächstenliebe. Aber nach Jesu Wort in der Perikope von der Salbung in Bethanien gibt es auch dieser Christenpflicht gegenüber vorrangige kirchliche Aufgaben: „Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn Arme habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit …“ (Matth 26,10f).

Fazit: Bei der Parole „Option für die Armen“ und ihrer Gewichtung für den Sinn von Kirche besteht die Gefahr einer sozialistischen Verfälschung des Evangeliums.

(Predigt) „… Hier, mit diesen Menschen, die in die Jüngerschaft Jesu eingetreten sind und sich das erstaunlich viel kosten lassen, schreibt Gott Geschichte, die Geschichte seines Reiches. Da tut er es, wo seine Leute als die Armen dastehen, als die Hungernden, als die Weinenden, als die Gehassten, Ausgestoßenen, Geschmähten.

Mit seinen Seligpreisungen bestärkt der Herr sie alle. Selig nennt er sie, nennt er uns, wenn wir als Christen durch ein solches Schicksal gehen. In Wirklichkeit, so sagt er uns, seid ihr gut dran. In Wirklichkeit seid ihr glücklich zu preisen. Ihr seid nur scheinbar die Verlierer, ihr, die ihr jetzt arm dasteht. In Wirklichkeit gewinnt ihr alles. In Wirklichkeit seid ihr unendlich reich. Denn euch gehört das Reich Gottes, die neue Welt, die Jesus heraufführt. In Wirklichkeit seid ihr auf dem Weg mit ihm, der doch selber arm wurde, als er seine Sendung erfüllte. Und doch ging er auf diesem Weg zur Herrlichkeit. So seid ihr zwar arm, aber doch zugleich selig. Also: arm-selig. Vielleicht hat dieses Wort ja seinen Ursprung in diesem Zuspruch, den Jesus seinen Jüngern gibt. Und wenn wir als Christen einen armseligen Eindruck machen, dann liegen wir vermutlich richtig. …“

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