Glaubensbekenntnis – lückenhaft?


Die Frage wurde mir einmal von einem Mitglied unseres Kirchengemeinderats gestellt: Warum fehlen im Apostolischen Glaubensbekenntnis beim 2. Artikel die ganzen Jahre der irdischen Biografie Jesu, vor allem Hinweise auf die Worte und Taten Jesu, die in den Evangelien bezeugt sind?
Antwort: Zentral und grundlegend ist zunächst die Menschwerdung des eingeborenen Sohnes Gottes, die Fleischwerdung des „logos“ (Joh 1,14) – „empfangen durch den Hl. Geist, geboren von der Jungfrau Maria“ und sodann das Leiden und Sterben Jesu – „gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt und gestorben …“ und weiter dann natürlich seine Auferstehung, seine Erhöhung und seine Wiederkunft als Weltenrichter.

Diese „Auswahl“, die im Apostolischen Glaubensbekenntnis getroffen ist, entspricht genau den Wegstationen des „Christus Jesus“, wie sie im Hymnus des Philipperbriefs (2,6ff) beschrieben sind und auf die es offensichtlich hauptsächlich ankommt: „Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an … Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. …“

Prof. Martin Kähler (1835-1912) bezeichnete die Evangelien als „Passionsgeschichten mit ausführlicher Einleitung“. In dieser Charakterisierung kommt zum Ausdruck, welches Schwergewicht die Leidensgeschichte Jesu in den Evangelien tatsächlich hat.
In den synoptischen Evangelien ist dabei auch an die Leidensankündigungen Jesu zu denken, die schon sehr früh einsetzen (Matth 16,21; Mk 8,31; Lk 9,22).
Im Johannesevangelium spricht Jesus gleich zu Beginn auffälligerweise von seiner Stunde: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (2,4). „Seine Stunde war noch nicht gekommen“ heißt es später (7,30). Dann 13,1: „Vor dem Passafest aber erkannte Jesus, dass seine Stunde gekommen war …“; noch im selben Kapitel kündigt Jesus den Verrat des Judas an. Der Verrat des Judas markiert den Anbruch der „Stunde“ Jesu, den Anbruch jenes Geschehens, an dessen (vorläufigem) Ende er als der Gekreuzigte spricht: „Es ist vollbracht“ (19,30). Die große Stunde Jesu ist also die Passion, sein Leiden und Sterben und dann natürlich auch seine Auferstehung. Es ist, wenn wir so wollen, die „Sternstunde“ Jesu.

Diesem Duktus in den Evangelien wird die Formulierung des Glaubensbekenntnisses gerecht.
Einwand: Aber Jesus hat doch vor und damit unabhängig von seinem Leidensweg Sünden vergeben, Kranke geheilt usw.
Antwort: Richtig ist, dass er vor seinem Leiden und Sterben den Anbruch der Gottesherrschaft verkündigt und dies mit Wundertaten bekräftigt hat. Nicht richtig ist, dass er dies unabhängig von seinem Leiden und Sterben getan habe. Vielmehr ist seine Lebenshingabe, sein Tod am Kreuz die sachliche Voraussetzung dafür, dass er so reden und handeln konnte.

(Predigt) „…wenn wir vorher das Glaubensbekenntnis gesprochen haben, dann ist uns vielleicht wieder aufgefallen, wie ausführlich und buchstäblich zentral von Jesus die Rede ist und wie dann auch sofort das Kreuz in den Blick kommt. Kaum heißt es ‚geboren von der Jungfrau Maria’, geht es schon weiter mit: ‚gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben.’ Warum ist eigentlich nicht vom Leben Jesu die Rede, von seinen Worten und Taten? kann man fragen. Antwort: Weil es tatsächlich zuerst, ja, allein auf sein Leiden und Sterben ankommt; weil die Tat, die er damit vollbracht hat, die Grundlage und Voraussetzung ist für alles andere, für jedes Wunder, das er tat und tut, für jedes Heils-Wort, das er uns sagt. …“

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