„So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“


Zur sog. Zwei-Reiche-Lehre

Jesus beantwortet mit der zitierten Aussage (Matth 22,21) die Frage der Pharisäer: „Ist’s recht, dass man dem Kaiser Steuern zahlt oder nicht?“ Diese Frage wurde vor allem in den 1980er-Jahren meiner Amtszeit sehr aktuell, vor allem bezüglich des Steueranteils, der vom Staat für das Militär ausgegeben wurde. In der „Friedensbewegung“ engagierten sich auch viele Christen und demonstrierten für eine Welt ohne Waffen. In diesen Kreisen wurde auch erwogen, die Zahlung des für das Militär bestimmten Steueranteils zu verweigern.

Die Antwort Jesu auf die Frage der Pharisäer besagt eindeutig, dass die vom Kaiser erhobenen Steuern zu zahlen sind, auch von den Frömmsten (zu denen natürlich gerade die Pharisäer gehören). Dabei weiß schon jedes Kind, dass ein erheblicher Anteil der Steuereinnahmen zur Finanzierung der Ausgaben für das Militär eingesetzt wird (werden muss) – schon immer und überall auf der Welt (vgl. das Kinderspiel: „Der Kaiser schickt seine Soldaten aus“). Jesus hält es offensichtlich für geboten und für möglich, einerseits den Erwartungen Gottes an uns zu entsprechen und andererseits den Erfordernissen, für die uns die weltlichen Regierungen in Anspruch nehmen, Rechnung zu tragen. Aus der Sicht Jesu besteht zwischen beidem nicht von vornherein und grundsätzlich ein Widerspruch oder ausschließender Gegensatz. Jesus selber, nicht etwa Luther, ist somit der Autor der Zwei-Reiche-Lehre.

Der Aussage Jesu Matth 22,21 entspricht die Aussage 1. Petr 2,17: „Fürchtet Gott, ehrt den König“.
Das Militärische ist dabei nur einer von mehreren problematischen Bereichen. Regierungen müssen auch für Polizei, Gerichte, Strafvollzug usw. sorgen und das heißt eo ipso Gewaltmittel einsetzen. Man spricht vom „Gewaltmonopol“ des Staates. Wie verträgt sich all dies mit dem Friedensreich, das der Messias doch heraufführt, das nach der Bergpredigt Jesu verfasst ist und auf dessen Verwirklichung Christen doch hoffen?

Antwort: Das Friedensreich Jesu kann sich schon hier und jetzt in der Gemeinde Jesu verwirklichen, bei denen, die unter die Herrschaft Jesu Christi gekommen sind. Da findet Erlösung vom Bösen statt. Da können Menschen in der Kraft Christi tatsächlich das Böse mit Gutem überwinden. Außerhalb der christlichen Gemeinde sorgen die Regierungen mit ihrem Gewaltmonopol dafür, dass das Böse eingedämmt wird und die Welt nicht im Chaos versinkt. Dazu sind sie von Gott bestellt (Röm 13).

Christen gehören beiden „Reichen“ Gottes an, und sie wissen in der Regel sehr wohl zwischen beiden zu unterscheiden. Für sich selber und für andere, die mit ihnen in der Nachfolge Jesu stehen, können und sollen sie sich dazu entschließen, dem Bösen nicht zu widerstehen, sondern Unrecht zu leiden, wie es ihnen das Neue Testament in der Bergpredigt Jesu und sonst an vielen Stellen nahe legt. Wo es um die Verantwortung der Obrigkeit geht, dem Bösen im Rahmen ihres Gewaltmonopols entgegenzutreten, können und sollen Christen zur Mitwirkung bereit sein als Politiker, Richter, Polizisten, Vollzugsbeamte, Soldaten usw.

Vgl. Augsburger Bekenntnis (1530), Art. 16: „Von der Polizei (Staatsordnung) und dem weltlichen Regiment wird gelehrt, dass alle Obrigkeit in der Welt und geordnetes Regiment und Gesetze gute Ordnung sind, die von Gott geschaffen und eingesetzt sind, und dass Christen ohne Sünde in Obrigkeit, Fürsten- und Richteramt tätig sein können, nach kaiserlichen und anderen geltenden Rechten Urteile und Recht sprechen, Übeltäter mit dem Schwert bestrafen, rechtmäßig Kriege führen, in ihnen mitstreiten, kaufen und verkaufen, auferlegte Eide leisten, Eigentum haben, eine Ehe eingehen können usw. Hiermit werden die verdammt, die lehren, dass das oben Angezeigte unchristlich sei.“

Vgl. Theologische Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen (1934), Art. 5: „Fürchtet Gott, ehrt den König (1 Petr 2,17). Die Schrift sagt uns, dass der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat, in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen. Die Kirche erkennt in Dank und Ehrfurcht gegen Gott die Wohltat dieser seiner Anordnung an. …“

In diesen Zusammenhang gehört auch der Hinweis, dass Fürbitte für die Regierenden bzw. politisch Verantwortlichen zu den erstrangigen Gebetsanliegen der christlichen Gemeinde gehört. 1 Tim 2,1f: „So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können …“.

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