Die Josefsgeschichte


1 Mose 37 – 50
Die Träume Josefs (Garben, Gestirne, die sich vor ihm verneigen) sind nicht Ausgeburt der Überheblichkeit eines verwöhnten Lieblingssohnes, obwohl sie auch von seinem Vater Jakob zunächst so gedeutet werden, sondern göttliche Signale seiner Erwählung und Vorzeichen seines gottgewollten Weges. In ihnen bildet sich die Sendung ab, zu der Josef berufen ist.

Der Weg Josefs ist dadurch gekennzeichnet, dass er zunächst – trotz der in den Träumen zum Ausdruck kommenden Erwählung zu Höherem – ins Leiden, in die Erniedrigung führt. Erneut begegnet hier, wie auch sonst durchweg in der Bibel, das Erwählungs-Leiden. Es führt bei Josef in äußerste Tiefen. Aber schließlich und endlich kommt es zu der vorgezeichneten Erhöhung, und zwar in einem Ausmaß, wie es jenseits alles Vorstellbaren liegt. Als Erhöhter wird Josef geradezu zum Retter der (hungernden) Welt. Diese Erhöhung ist außerdem verbunden mit einer Wendung der Dinge im Verhältnis Josefs zu den Brüdern, die ebenfalls jenseits des Vorstellbaren liegt: Josef akzeptiert seinen Weg, auch und gerade mit allen Tiefen, durch die er führte, auch und gerade mit allem Bösen, das ihm von seinen Brüdern angetan wurde, als gottgewollt und gut: „… denkt nicht, dass ich darum zürne, dass ihr mich hierher verkauft habt; denn um eures Lebens willen hat mich Gott vor euch hergesandt. … Nicht ihr habt mich hergesandt, sondern Gott …. Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen“ (1 Mose 45,5ff; 50,20). Er wendet sich denen, die ihn verworfen haben, vorbehaltlos zu und wird gerade auch ihnen zum Segen. Die Prüfungen, denen er seine Brüder unterwirft, bevor er sich ihnen zu erkennen gibt, haben nichts mit späten Rachegelüsten zu tun. Sie haben nur die Läuterung ihrer Gesinnung zum Ziel.

Josef ist damit eine Präfiguration Jesu Christi. Auch Jesus erfährt von seiner Erwählung („Du bist mein lieber Sohn …“). Auch sein Weg führt in die Erniedrigung. Auch Jesus wird von seinen „Brüdern“ verworfen. Auch bei der Sendung Jesu ist das Heil, das Gott durch ihn schafft auf eigentümliche Weise verschränkt mit der Bosheit der Menschen. Auch der Weg Jesu führt endlich zu seiner Erhöhung. Auch er wird zum Retter der Welt. Auch er wird denen, die ihn verworfen haben, zum Segen. Freilich erreichen Erniedrigung und Erhöhung sowie das Rettende bei Jesus noch ganz andere Dimensionen als es bei Josef der Fall war.

Die Josefsgeschichte wird m.E. dann richtig verstanden, wenn sie in diesem Sinn präfigurativ, typologisch auf Christus hin gelesen und gedeutet wird.

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