Kirche und Schule – zum Bildungsauftrag der Kirche


Jahrhundertelang gab es – z.B. in Württemberg – die geistliche Schulaufsicht. „Die Volksschulen stehen in jedem Orte unter der Aufsicht des Pfarrers derjenigen Konfession, welcher der Schulmeister angehört, und der übrigen Mitglieder des Kirchenkonvents.“ (Volksschulgesetz vom 29.09.1836). Diese geistliche Schulaufsicht „entsprach der Aufgabe, die von früher her der Schule zugewiesen war; sie sollte vor allem christliche Inhalte vermitteln, Hauptsache war deshalb Religionsunterricht, Lektüre der Bibel und des Gesangbuchs“ (Lesebuch zur Geschichte der Evang. Landeskirche in Württemberg, 19891, Band 3, S. 214). Tatsächlich waren noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts in den Volksschulen Württembergs Bibel, Spruchbuch und Gesangbuch, neben einer Fibel für den Erstleseunterricht, einzige Unterrichtsbücher. 1854 wurde erstmals ein Lesebuch als Grundlage für den Unterricht in den sog. Realien eingeführt, was von heftigen Auseinandersetzungen begleitet war. Dadurch durfte aber „der Bibel und dem Lesen in derselben die Stelle, die sie als Hauptbuch in jedem Lektionsplan einer evangelischen Volksschule einzunehmen hat, nicht im mindesten verrückt werden“ (ebd. S. 227f).

Man muss sich das einmal klar machen: Über Jahrhunderte hinweg war die Bibel für die Volksschüler im evangelischen Württemberg während ihrer gesamten Schulzeit der einschlägige Unterrichtsstoff!

Und heute? Die Grundschule ist m.W. immer noch als „christliche Gemeinschaftsschule“ definiert. Religionsunterricht ist an allen Schulen ordentliches Lehrfach. Was die im Religionsunterricht zu vermittelnden Stoffe angeht, wurden die biblischen Inhalte sowie die zu lernenden Gesangbuchlieder und Sprüche während meiner Dienstzeit drastisch reduziert. Dafür wurde die Parole „exemplarisch lernen“ ins Feld geführt oder auch „weniger ist mehr“. Auswendig lernen war im übrigen ja auch sonst in der Schule zunehmend „out“. Außerdem sollte gerade im Religionsunterricht die „Lebenswelt der Schüler“ berücksichtigt werden. Weil vieles in der Bibel und im Gesangbuch dieser Lebenswelt angeblich völlig fern lag, taugte es nicht mehr für ein zeitgemäßes religionspädagogisches Konzept.

Es war die Landeskirche selber, die diese Reduzierungen – m.E. überwiegend ohne Not – vornahm. Zeitgleich wurde in derselben Kirche zunehmend der grassierende Traditionsabbruch in Bezug auf christliche Sozialisation beklagt und mit Entsetzen festgestellt, dass Schulabgänger, die 8 Jahre Religionsunterricht durchlaufen hatten, beispielsweise noch nie etwas von „Kain und Abel“ gehört hatten.

Anmerkung: Im Konfirmandenunterricht verlief die Entwicklung ähnlich. Die m.W. neueste Parole heißt: „Wir unterrichten nicht Stoffe, sondern Menschen“, eine in meinen Augen geradezu perfide Entgegensetzung. Das führt natürlich zwangsläufig zu einer Minimierung des „Stoffs“. Ich bin versucht, zu fragen, ob es nicht tatsächlich der Teufel ist, der solche Finten benutzt, um die etwa noch vorhandene, von Bibel, Katechismus und Gesangbuch geprägte christliche Substanz in unserem Volk weiter auszudünnen und schließlich vollends zu zerbröseln. – Ich meinerseits habe versucht, gegenzusteuern, indem ich mit den Konfirmanden wöchentlich Gesangbuchlieder einübte und den Predigttext des bevorstehenden Sonntags zur Diskussion stellte. Außerdem gehörte bei mir die biblische Lektüre wenigstens der kompletten Passionsgeschichte nach einem der Evangelien zum festen Stoffplan für den Konfirmandenunterricht und natürlich der Katechismus mit allen sechs „Hauptstücken“, einschließlich der „Schlüssel des Himmelreichs“ (inzwischen von der Landeskirche aus dem offiziellen Lernstoff entfernt).

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