Wohlstand/Notstand


„Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts! Und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.“ – Offb 3,17

(Predigt, Buß- und Bettag) „… Wer gesteht schon gern ein, dass er Fehler gemacht hat? Wer lässt sich schon gern mit der Tatsache konfrontieren, dass es elend und jämmerlich mit ihm steht, dass er eigentlich ein armer Hund ist, dass er eigentlich blind umherirrt, dass er sich eigentlich vor Schande nicht mehr sehen lassen kann – kurz, dass er eigentlich arm, blind und nackt ist? Nein, das verdrängen wir lieber, davon wollen wir lieber nichts wissen. Solche Verdrängung, solche Unwissenheit wurde offenbar damals in der christlichen Gemein­de in Laodicea praktiziert und kultiviert.

‚Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts’, das hält Jesus Christus, der Herr der Kirche, dieser Gemeinde vor. Möglicherweise hing diese Haltung mit dem materiellen Reichtum der Stadt Laodicea zusammen. Die Stadt war dafür bekannt. Und vielleicht hatten damals ja auch die Christen Anteil an diesem Wohlstand – so ähnlich wie heute bei uns. Laodicea war ein Bankenzentrum. Die Stadt stand finanziell glänzend da. Sie wurde beispielsweise mit den Folgen eines Erdbebens ohne fremde Hilfe fertig. Also von wegen arm – man hatte jedenfalls was in der Ta­sche und auf dem Konto. In Laodicea wurden Textilien produ­ziert, vor allem modische schwarze Stoffe – also von wegen sich nicht sehen lassen können, man wusste sich ent­sprechend zu klei­den. Auch für medizinische Markenartikel war die Stadt bekannt, z.B. für Augensalbe – also von wegen blind umherirren, man hatte jedenfalls Mittel, um Augenkrankheiten zu kurieren. So al­so konnte dieser Wohlstand die Menschen, auch die Christen in Laodicea über den Notstand, in dem sie sich ei­gentlich befanden, hinwegtäuschen. So kann es auch heute bei uns sein, wenigstens bei einem guten Teil von uns: Wir haben doch alles: wir verdie­nen gut und können etwas auf die Seite bringen; wir können gut essen und trinken, uns exquisit kleiden, schön wohnen und groß Urlaub machen; unsere Mediziner und Therapeuten können fast alles kurieren – was brauchen wir mehr?

Das Ergebnis war damals und ist wohl auch heute ein laues Christentum, ein oberflächliches Christentum, ein folgenloses Christentum. …“

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