Kirchhöfe


Unsere Friedhöfe waren früher Kirchhöfe, und mancherorts sind sie es noch heute: Die Gräber der verstorbenen Gemeindeglieder sind um die Kirche geschart; ja, ggf. sind sie sogar in der Kirche platziert, besonders wenn die Verstorbenen Bischöfe, Äbte und dergleichen waren. Besonders eindrücklich in unserer Region: Die Wurmlinger Kapelle bei Tübingen, von Uhland besungen („Droben stehet die Kapelle … Droben trägt man sie zu Grabe …“).

An dieser Stelle sind jüdische und christliche Traditionen himmelweit voneinander entfernt. Das jüdische Heiligtum in Jerusalem und die kultisch unreinen Toten und ihre Gräber mussten schärfstens voneinander getrennt gehalten werden. Der sog. „Priesterweg“ zum Tempel verlief über Gelände, das in diesem Sinn kultisch rein war. Die Christenheit hat dagegen ausgerechnet in einer „Grabeskirche“ in Jerusalem ihr zentrales Heiligtum. Warum? Weil diese Grabstätte, das Grab Jesu, zugleich die Stätte seiner Auferstehung ist.

Die Auferstehung in ein neues, unverwesliches und ein für alle Mal kultisch reines Leben hinein ist allen Christen verheißen. Ja, sie tragen dieses neue Leben jetzt schon in sich; Jesus kann sagen: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben“ (Joh 11,25f). Deshalb gehören die Toten der Gemeinde Jesu und ihre Gräber – eigentlich – so dicht wie möglich an die Kirchen hin, ja, auch in die Kirchen hinein. Darin wird sichtbar zum Ausdruck gebracht, was Paulus an pointierter Stelle über die Verstorbenen sagt: „Denn das sagen wir euch mit einem Wort des Herrn, dass wir, die wir leben und übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, denen nicht zuvorkommen werden, die entschlafen sind“ (1 Thess 4,15). Deshalb legen wir unsere Toten auch nicht einfach in die Erde oder bringen sie unter den Boden, um es noch drastischer zu sagen. Sondern wir senken sie als kostbare Saat in Gottes Acker hinein (1 Kor 15,42ff), aus der durch Gottes Kraft ein neuer, unverweslicher Leib hervorgehen wird.

Eindrücklich war für mich in diesem Zusammenhang die Inschrift eines Grabmals an einer der alten Kirchen auf der Insel Reichenau, Bodensee: „(Name des Verstorbenen) sub hoc saxo sonum tubae expectat“ – „ … erwartet unter diesem Stein den Schall der Posaune“ (vgl. 1 Thess 4,16).

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